Lovis meets Chris de Burgh

Tja, meine Lieben, diese Überschrift dürft ihr wörtlich nehmen.

Chris de Burgh, vierte Reihe, man gönnt sich ja sonst nix, ich will den Künstler nicht nur sehen, nein, ich will ihn riechen. Meine Tochter war nur mäßig begeistert von diesem Event, aber wenn man mich als Mutter hat, muss man Opfer bringen.
Habe ja nicht geahnt, dass in dieser Ecke die Hardcore-Fankurve sitzt.
Extrem nervöse Frauen mittleren und gehobenen Alters in albernen Chris de Burgh T-Shirts fieberten schon vor Erscheinen ihres Idols gen Bühne.
Die hatten Kühlboxen mit Fanartikeln dabei!!!
Und wir?
Mittendrin!
Nun denn!
Pünktlich begann der schmalzstimmige Ire, leicht verkühlt (hatte Husten, der Gute) mit seinem Konzert. Die Menge um uns rum groovte begeistert mit, soweit so gut.
Ich mag die Balladen ja auch.

Chris schlug sich trotz Erkältung tapfer und demonstrierte zu fortgeschrittener Stunde sein neues Headset, schnappte sich seine Gitarre, kletterte von der Bühne und steuerte ins Publikum, gesichert von einem Duzend Bodyguards. Alle zwei Meter groß, glatzköpfig und wild entschlossen, den kleinen Iren vor lüsternen Weibern zu beschützen.
Die Fans neben mir hielt es nicht auf den Stühlen, sie strebten ihrem Schwarm entgegen.
Einmal neben Chris de Burgh stehen …
Nun, was soll ich sagen: Lovis und ihre leibliche Tochter strebten nicht.

1. Hatte ich einen Sitzplatz bezahlt,
2. (ihr kennt meine sportlichen Ambitionen) ich laufe nicht, wenn ich sitzen kann und
3. Lovis rennt nie nicht einem Mann hinterher, auch nicht wenn er Ire ist und singen kann.

„Ladyyyy in rääääääääd“, schmalze es aus dem Publikum und eine Traube treuer Fans verfolgte ihren Star durch den Saal.
Dieser bog um die Ecke und schlenderte zielstrebig auf Reihe vier zu, auf die einzigen beiden Fans, die sitzen geblieben waren und grinste mich an.

„I’ve never seen you looking so lovely as you did tonight … „
Du hast mich überhaupt noch nicht gesehen, aber nett, dass du es erwähnst, Chris.
Der Star bog in die vierte Reihe ein.
Mich hartnäckig im Visier.

„I have never seen that dress you’re wearing …“
Schön, dass dir mein Outfit gefällt, Chris!
Aber ich sag ja immer: Ich hab nix anzuziehen!

„Or the highlights in your hair that catch your eyes I have been blind …“
Na, na, na, nun trägst du aber ein bisschen dick auf, mein Bester!
Na supi, der Platz neben mir war ja frei – da sich mein Nachbar-Fan entschlossen hatte, dem irischen Rattenfänger zu Fuß zu folgen.
Ihr ahnt, was passiert?
Richtig: Chris de Burgh nutzte seine Chance und pflanzte sich neben mich, Klampfe auf dem Schoß, Schmelzblick auf moi gerichtet:

„There’s nobody here, it’s just you and me, it’s where I wanna be….“
Doch, Chris, es ist eben doch jemand hier. Da stehen tausende von Hardcore-Fans vor uns und die sind gerade bereit, mich zu töten. Deine Bodyguards haben sich bereits eingehakt und Schweißperlen auf der Stirn.
Chris ließ sich nicht beirren und schmachtete mich weiter an:

„But I hardly know this beauty by my side
I’ll never forget, the way you look tonight …“
Wo er sich doch solche Mühe gab, wurde ich weich und lächelte ihn an.
Ich kann auch nett sein.

„And when you turned to me and smiled, It took my breath away …“
Kenn ich, Chris, kenn ich.
Bist du nicht der erste Mann, dem in meiner Nähe die Luft wegbleibt.
Die Bodyguards bekamen langsam ein P wie Panik im Blick, da ein paar Fans offensichtlich die intensive Nähe ihres Stars zu mir mental nicht mehr verkraften konnten.

„Lady in rääääääd …“
Entweder Chris de Burgh ist farbenblind oder er hat sich gesagt:
Mir doch scheißegal, was Lovis an hat, denn ich hatte kein Fitzelchen rot am Leib!

„… is dancing with me, cheek to cheek…“
Oh, nein, Chris, dass machst du jetzt nicht!
Schau dir deine Fans an:
Die, die nicht fotografieren, wie Paparazzi auf Exstasy, die planen mich zu töten vor Eifersucht.
Chris rückte näher: „… cheek to cheek … „

Cheek to cheek willste mit mir machen?
Hier vor allen???
Tja, was willste machen, wenn so ein Star seinen schmusigen Tag hat.
Also machten wir zum Entsetzen der Meute cheek to cheek.

„My lady in red (I love you.) „
Kiss on my cheek und weg war er.
Geschmack hat er, das muss man ihm lassen.

Mein Nachbar-Fan nahm sprachlos wieder ihren Platz ein.
Der Abend hatte sich für sie gelohnt, sie durfte neben der Frau sitzen, neben die sich Chris de Burgh gesetzt hatte.
Minuten später blickte sie zu mir auf, mit glasigen Kinderaugen und hauchte:
„War das nicht wunderbar, ihn so hautnah zu erleben?“
„Ähm, ja, ähm, …“
Ich war ja nicht ganz so beeindruckt wie sie.
Mann ist Mann, sag ich ja immer!
Kennste einen, kennste alle!
Und nur, weil er berühmt ist, Gitarre spielen kann und mit mir kuscheln wollte, komme ich ja noch nicht in Wallung.
Soll sie sich mal ein Beispiel an meiner obercoolen Tochter nehmen.
Als Chris wieder auf die Bühne kletterte hielt die nur stumpf die Hand hoch, gab mir die 5 und meinte:
„Tja, Mutter, man hat’s oder man hat es nicht!“

Auf dem Weg zum Kassenautomat hatte ich das Gefühl, dass sich die Traube davor teilte, als ich kam. Da ist sie, die Frau, neben der Chris de Burgh saß.
Ok, dieses Image konnte ich nicht auf mir sitzen lassen.
Rein ins Auto, Scheibe runter, Santiano CD rein, volle Lautstärke und im Schritttempo an den wartenden Fans vorbei gerollt, nicht ohne lautstark mitzusingen:
„… das müssen Männer mit Bärten sein!“
Wenn sie mich hassen, dann richtig!