Eine Geschichte aus der Kategorie:
Lovis ist zu gut für diese Welt!
Bei uns in Hameln feiern die Stadtwerke 150 Jahre und haben zu diesem Jubiläum den Hamelnern für drei Wochen eine Schlittschuhbahn spendiert.
Soweit, so löblich!
Ich kutschiere also meine Kids regelmäßig dahin und warte, brav frierend an der Eisfläche darauf, dass die lieben Kleinen unversehrt wieder von dem glitschigen Nass herunterkrabbeln.
Nun habe ich ein Problem!
Auf meiner Stirn scheint bisweilen folgender Satz aufzuleuchten:
„TEXTE MICH ZU !!!“
Kaum stehe ich mit klammen Füßen an der Eisbahn pirschen sie sich ran – die Zutexter!
Frau im gesetzten Alter (ca. 70); Enkelin (7) machte erste Schlittschuhversuche.
Nach zehn Minuten kannte ich ihr Leben und nach weiteren 55 Minuten wusste ich, was für ein tolles Kind da vor mir lief. Ballett, Geigenunterricht, Leistungssport, Kannkind mit Granatenerfolg in der Schule (2. Klasse), das ganze Programm – unser Wunderkind.
Die Schrift auf meiner Stirn schien noch nicht verblasst zu sein. Ich lächelte mild, mein zweiter Vorname ist Gandhi, und nickte zustimmend mit dem Kopf. Meine Füße sind von Phase eiskalt auf taub gewechselt.
Nach einer Stunde war das Programm Wunderkind abgearbeitet und Oma schlüpfte nahtlos ins Küchenprogramm:
Also das Kind ist ja nur mit Bio groß geworden und nur Selbstgekochtes, selbstverständlich. Wenn ich zu Wort gekommen wäre, hätte ich jetzt eine Bemerkung zum blassen Teint des Zwerges gemacht, aber der Gandhi in mir ließ mich schweigen.
Leicht wach wurde ich, als Omi mir erklärte, wie sie Pommes zubereitet. In Küchendingen nicht ganz unbewandert, hatte ich von dieser Methode noch nie etwas gehört. Also Tüte auf – ab in den Backofen oder Fritteuse bis hin zu selber schnippeln kenne ich. Diese Spezialistin aber schnippelte Bio-Kartoffeln zu Pommes, wälzt diese in einer Mischung aus Olivenöl (selbstverständlich auch Bio) und Gewürzsalz, legt sie auf ein Backblech und wartet bis sie braun werden.
Das klang interessant!
Gutgläubig wie ich bin, habe ich das auch gleich, nachdem meine Füße wieder zu mir gehörten, zu Hause ausprobiert.
Leute!!!
Wenn ihr von einer Frau im fortgeschrittenen Alter an einer Eisfläche angequatscht werdet ….
…. spielt nicht den Helden
…. schaut ihr fest in die Augen
…. und dann brüllt sie an:
„HALT’S MAUL ALTE !!!“
„Deine Pommes sind auch nach eine Stunde blass wie deine von Bio-Reiskeksen ernährte Enkelin, sehen glitschig und pappig aus und schmecken scheiße !!!“
„PS: Aus diesem Pummelchen wird nie eine Eisprinzessin!“
Lovis on ice, Teil 2
Na gut, na gut, na gut!
Wenn dann das Drängeln kein Ende nimmt.
Alteingesessene erinnert sich an meine Bandengespräche vom letzten Jahr mit überergeizigen Eislauf-Großmüttern. Das wollte ich mir dieses Jahr nicht geben.
Wild zum Äußersten entschlossen habe ich also bei Aldi ein Paar Schlittschuhe erstanden.
Nun bin ich auf dem Dorf aufgewachsen, Eislaufbahnen waren unerreichbar und die Winter selten so streng, dass Seen zufroren. Ich glaube wir hatten auch gar keinen See.
Egal, ich bin als Kind nie Schlittschuhe gefahren.
Ich gehöre zur Rollschuh-Generation, Inliner waren noch nicht erfunden.
Als dann meine eigenen Kids ins Inliner Alter kamen, habe ich mir selbstverständlich auch ein Paar gekauft und exakt einmal benutzt.
Meine Kinder haben sich auf die Dinger drauf gestellt und sind losgefahren. Ich war da, sagen wir einmal, etwas zögerlicher.
Braucht jemand ein Paar Inliner in Größe 38?
Nun sagt man, wer Inliner fahren kann, kann auch Schlittschuhe laufen.
Beste Voraussetzungen also für mich und den heutigen Tag.
„Mama, du fährst doch heute auch, oder?“
Mist, sie haben es nicht vergessen.
Das Anziehen der Dinger hat dann auch unfallfrei geklappt und ich habe mit freundlicher Unterstützung meiner Brut:
„ACHTUNG, ALLE AUS DEM WEG!!! UNSERE MUTTER KANN DAS NOCH NICHT SO GUT !!!“ den Weg zur Eisbahn gefunden.
Klammergriff an der Bande. Scheiße ist das glatt hier und ich habe das falsche Schuhwerk an.
Nun muss ich an dieser Stelle einfügen, dass ich berufsbedingt in Hameln nicht ganz unbekannt bin und zwangsläufig auf Leute treffe, die mich kennen, namentlich kennen. Was den Blamageeffekt nicht eben minimiert.
„Na, Frau Lovis? Auch hier?“
Wie blöd muss jemand sein, um eine solche Frage zu stellen.
„Ja, ich bin hier und du Blitzbirne hast Glück, dass ich gerade beide Hände zum Überleben brauche!“
Habe ich gedacht, nicht gesagt!
Gesagt habe ich gar nichts, denn noch sicherer als sich mit zwei Händen fest zu klammern ist es, seine Zähne in die Bande zu schlagen.
„Huhu, Frau Loooovis!!! Machen Sie das zum ersten Mal? Mutig! Mutig!“
„Aachoch“, zischte ich durch den Balken der Bande!
Ich hangelte mich also mit freundlicher Unterstützung meiner Großen, die mich keine Sekunde alleine ließ, zentimeterweise am Rand lang.
Das sind so Momente wo man tief in sich geht und sich fragt:
„Alte, was tust du hier?“
Mein Inneres antworte mir nicht.
Nach einer Runde im Schleichgang wurde ich mutiger und kürzte die Ecken ab.
Whhooouuuwww!
Ich erwischte mich bei dem Gedanken, einem der Kleinkinder den Lauflern-Pinguin zu entreißen, um damit elfengleich über das Eis zu schlittern.
War aber gar nicht nötig, denn Hilfe kam von anderer Seite.
Aus der Musikbox!
„Eye of the tiger!“
Yepp, das hatte mir gefehlt!
Immer mutiger werdend, immer noch unter den Argusaugen meiner Großen (die hatte Angst im Falle eines Sturzes zu Fuß nach Hause zu müssen), verließ ich die sichere Bande.
Und was soll ich sagen, nach drei, vier Runden machte es richtig Spaß.
Also die Schlittschuhe könnt ihr nicht kaufen.
Die werden demnächst öfter benutzt.