Wenn der Corsa zickt …

Das Drama fing ja schon am Freitag an. Geplant war ein kurzer Check der Beißerchen von 1.0, um danach Mutters Brille zum Filialisten zwecks Reparatur zu bringen. Aus dem 10 Minuten Check wurde ein drei-Stunden Termin mit Aussicht auf Weisheitszahn-OP. Alles recht unschön, nervenaufreibend und zeitraubend – Brille gecancelt!
Samstag, ungewöhnliches Sonnenwetter für Februar, sollte man vielleicht die Brillenreparatur mit dem ersten Eis beim Lieblingsitaliener verbinden, um die geschundenen Mutternerven wieder zu beruhigen? 2.0 war dafür, und stand, für die in Aussicht gestellten Kalorien, sogar schon vor elf Uhr auf.
11:30 Uhr – Weserbrücke!
Aus dem Armaturenbrett des Corsas blinkte es orange. „2.0, zieh mal Schärfe, was ist das für ein Symbol?“ Ohne Lesebrille geht bei mir auf die Entfernung ja nix mehr. „Mhm, sieht aus wie ein Schraubenschlüssel?!“ Sch… Das weiß sogar ich, Schraubenschlüssel bedeutet, ab in die Werkstatt, sonst droht böses Unheil. Eis und Brille gecancelt. Nächster Halt: Werkstatt!
Werkstatt zu, Samstagsservice lohnt sich nicht, erfuhren wir von der Putzfrau. Doch da hing noch ein Blaumann unter einer Motorhaube, Mann incl. Dieser Mann war keiner der mir bekannten Sprachen mächtig, arbeitete wahrscheinlich illegal und schwarz, was ihm aber alles nichts nützte, ich schleifte ihn zum Corsa und zeigte ihm das Werkzeug-Lämpchen. „Oh, oh, nix gut!“
„Ok, Mustafa, ich lass die Karre hier stehen und ihr repariert sie Montag“, habe ich nicht gesagt, hätte er ja nicht verstanden. Ich habe ihm stumm die Autoschlüssel in die Hand gedrückt.
Er: „Nein, nein!“ Ich: „Doch, doch!“
Er war verzweifelt, die Kundin verstand nicht, dass die Werkstatt zu war und er als illegaler Einwanderer keine Autos annehmen durfte. Also deutete er mir via Zeichensprache, dass ich ihm folgen sollte. Service lohnt sich samstags nicht, Verkauf schon. Mustafa war happy, er war die blonde, lästige Frau losgeworden und verpieselte sich eilig in Richtung Motorhaube.
Der Verkäufer konnte mir aber so gar nicht weiter helfen, weil er nicht ins System kam. Nach zähen Verhandlungen „Ich kann hier auch übernachten!“ nahm er mir den Autoschlüssel ab und heftete einen handgeschriebenen Zettel daran.
Ok, Problem 1 gelöst, geht doch!
So, mein neuer Freund, gehen wir Problem 2 an, ich brauche einen Leihwagen!
„Geht nicht, ich komme nicht ins System!“ Aber er hatte gelernt! Ein Blick von mir genügte und er knickte ein. Jammerte nur noch ein bisschen: „Das darf ich eigentlich nicht, ich weiß gar nicht, ob ich den Wagen verleihen darf, ob der nicht vorgemerkt ist …“
So ein Theater wegen einem Ford-Ka!!! Ein Schuhkarton auf Rädern, ein Wunder, dass der ’ne Straßenzulassung hat.
Egal, wir hatten vier Räder unter den Hintern, nächster Halt: Brille und Eis! Parken auf dem Parkdeck. Wenn wir schon mal in der Rattenfänger-Metropole sind, ganz schnell noch zwei langärmelige, schwarze T-Shirts gekauft. Im Winter? Langärmelig? Die Kundin ist crazy! Hat gedauert!
Wie gesagt, es ist Februar, normalerweise Winter und nicht direkt Eisdielen Zeit. So kam es, dass der Südländer auch nur ganz wenige Tische draußen hatte („Alle noch im Laaager, konntest du nicht wissen, Wetter so scheen!“) „Ja, ja, Mario, zwei Sitzplätze in der Sonne reichen ja auch, schmeiß ein paar Kunden raus!“ Na also, es erhoben sich Gäste, wir grinsten: „Gehen Sie? Das ist schön!“
„Ich gehe aber nicht! Aber Sie dürfen sich neben mich setzen!“ Sabber, speichel! Mario raunte mir zu: „Er machen immer so! Sitzen ganzen Tag hier, um zu reden mit scheene Frauen.“ Klasse, meine Glückssträhne schien noch nicht abgerissen zu sein. Was soll man machen, der Kerl hatte Sitzplätze.
Ich erzähle das den geneigten Lesern nur deshalb so ausführlich, um zu verdeutlichen, dass ein wenig Zeit verstrich, bis wir den geliehenen Schuhkarton wieder erreichten.
Als es endlich so weit war, drehte ich den Zündschlüssel rum und der Schuhkarton sagte exakt: Nix!
Ey, was ist los, Mini-Kleinwagen, habe ich den passenden Spruch vergessen? Muss man dir vorher die Windeln wechseln? Einen Geheim-Code eingeben?
Nützt ja nix, der Kleine verweigert die Mitarbeit, Zeit für einen Mann. Quatsche ich also den nächstbesten an, einen Asiaten. Sehr freundlich, die lächeln ja immer irgendwie alle. Setzte sich ins Auto, plauderte über sein eigenes Gefährt und über sein Studium und sagte dann: „Sorry, aber von Autos habe ich keine Ahnung.“ Aha, bauen Millionen Autos, haben aber keine Ahnung. Raus aus meinem Auto, Schlitzauge!
Manchmal muss man down-daten. Da kamen zwei Kevins mit einer Chantal. Na, wenn die nicht Ahnung von Autos haben? Chantal fing schon mal gleich an zu maulen, keine Zeit, Yasmin wartet, bla, bla … Nütze ihr aber nix, Kevin 1 saß schon im Auto und analysierte in seinen begrenzten Möglichkeiten: „Batterie!“ Wie jetzt? Batterie, der Wagen ist gerade 5000 km alt? „Hamse Licht angelassen?“ Na toll, bei meinem Corsa geht ja alles aus, sobald man den Schlüssel zieht, bei dem Schuhkarton haben sie wohl an der Abschaltautomatik gespart. „Kevin, sag an, was machen wir?“ „Überbrückungskabel! Hammse eins?“
„Oh, wie dumm, habe ich sonst immer in meiner Handtasche, ausgerechnet heute habe ich es zu Gunsten einer Bohrmaschine rausgenommen.“ Kevin 1 grunzte Kevin 2 an: „Dein Vadder?“ Chantal rastete aus, der Termin im Nagelstudio drohte zu platzen. Die Kevinne waren schon fast geneigt mich für Chantal sitzen zu lassen, da quatschte ich Mann Nr. 4 an. Russe! Halleluja! Ein Russe lässt eine Frau in Not nicht im Stich! „In meinem Auto ich habe immer Kabel! Ist Auto von Frau (vorwurfsvoller Blick zur Gattin) … nix Kabel. Jungs, wir schieben an, ist sich kleines Auto, wir schaffen!“
Die beiden Kevinne trauten sich der knallharten Anweisung nicht zu widersetzen und schoben, unterstützt von Mann Nr. 5, der zufällig dazu kam und sich auch als Mann beweisen wollte, mein Auto an, während der Russe am Lenkrad saß. Year, die Karre sprang an und wenn Olga nicht so böse geguckt hätte, wäre ich vor Dankbarkeit zum herzlichen Bruderkuss bereit gewesen.
Männer-Resümee: Asiaten sind freundlich, bringen es aber nicht!
Deutsche klugscheißen rum, lassen ihrer Klugscheißerei aber keine Taten folgen.
Russen kennen die Lösung und machen!
Wieder was gelernt!
In der Zwischenzeit war Zeit vergangen. Zu viel Zeit für das Parkticket. Die Schranke verweigerte uns die Durchfahrt. Bloß die Kiste nicht ausgehen lassen! 2.0 incl. Parkticket vor dem Automaten abgesetzt und auf dem Parkdeck Kreise gezogen. Es dauerte, sie kam nicht wieder. Im Vorbeifahren sah ich eine Menschentraube vor dem Automaten. Nicht gut! Ich zog weiter meine Kreise, ist ja gut für die Batterie. Nach einer gefühlten halben Stunde lud ich sie wieder ein: Kein Kleingeld, Automat wechselt nicht, georderter Mitarbeiter musste erst den Automaten auseinander bauen …
Ooooohmmm! Alles wird gut!
Montagmorgen: Anruf von der Werkstatt: Auspuff, Bremsen, Zündspule, kein Öl mehr … kurz mein Corsa lag im Sterben.
Und weil das Schicksal gütig ist,
kann einem auch der größte Mist,
kann einem auch die größte Pein,
im Nachhinein,
ganz nützlich sein!
(Nicht von mir, trotzdem gut! Gruß an Constantin Wecker, an dieser Stelle)
Wir hatten vor, mit diesem Auto am Dienstag gen Hamburg zu fahren. Hätte der in dem Zustand nie geschafft! Die Reparatur kostet mich zwar ein Vermögen, aber durch unsere kleine Spritztour am Samstagmorgen ist es uns erspart geblieben, irgendwo in der Fremde mit einem Totalschaden liegen zu bleiben. „Is alles für was gut“, hat die Oma immer gesagt.
„Nihil sine causa!“ so spricht der Lateiner und genderfreundlich auch die Lateinerin und Diverse.