Murphy’s Gesetz: Was schief gehen kann – geht schief!

Tochter 2.0 wird elf

Ohne mich loben zu wollen, aber ich bin ein Organisationstalent.
Ich kann das,
was ich plane,
… läuft!!

Ohne Probleme, perfekt getimt, habe stets alles im Griff, voll den Überblick.
Wie gesagt, ich will mich ja nicht loben, aber wenn ich ein Talent habe, dann das:
etwas vorausschauend zu planen.

Kindergeburtstage? Einer meiner leichtesten Übungen.

Nun wollen meine beiden Kinder an ihren Geburtstagen immer ungern das Haus verlassen:
„Hier ist es immer am schönsten, Mama!“

Ist also nix mit Bowling außer Haus! *mist*

Aber so eine kleine Unterbrechung des Kindergeschreis?
Hatte ich doch eine super Idee!

Mit meinen Kids war ich letztes Jahr auf einer der beiden Kirchen von Hameln. Geführt von einem Glöckner im Kostüm, durch die Katakomben der Marktkirche bis in die Turmspitze und dann über ganz Hameln blicken. War toll!

Der Vorschlag wurde gnädig von meiner Jüngsten angenommen: „Wenn wir danach sofort wieder nach Hause fahren.“
„Jaahaaaa!“

Wochen in Voraus: Ich also mich mit der hiesigen Kirche in Verbindung gesetzt. „Müssen Sie mit dem Küster verabreden, hier die Durchwahlnummer, der ist aber im Urlaub.“
OK!
War ja Wochen hin.
Kein Problem, alles easy!

Küster aus Urlaub zurück: „20.8. um 16.30 Uhr auf die Kirchturmspitze?
Aber gern, habe ich notiert.“
Oh, das ging ja einfach!

Aus einem Instinkt heraus und aus der Erfahrung des Organisationstalents rief ich am Tag vor dem Geburtstag selbigen Küster noch einmal an.
„Oh, Frau Lovis, ähm, da habe ich ja ganz vergessen, Sie anzurufen.“

Mir schwante nichts Gutes!
„Es ist nämlich so, ich bin krank. Aber mein Vertreter, der übernimmt das gerne.“
„Wo ist dann das Problem, mein Bester?“
„Das Problem ist die Uhrzeit. Da ist nämlich ’ne Hochzeit um 16.30 Uhr und da ist es schlecht im Glockenturm, Sie verstehen.“
„Logo, Hochzeitsgeläut, alle Kinder taub.“
„Geht es auch um 17.15 Uhr?“
„Nö, da grillen wir!“
„Na dann um 16 Uhr.“
Mist!
15 Uhr kommen die Gäste, 15.30 Uhr müssten wir im Auto sitzen, 30 Minuten Kaffeetrinken, Kerzen auspusten – ist knapp, aber machbar.
„Ok. 16 Uhr Münsterkirche.“
Gut, dass ich noch einmal telefoniert habe.
Geht doch nichts über eine gründliche Planung.

Tage vorher war das Kind nervlich schon leicht angespannt. Wenn man 11 wird hat man noch nicht so viel Erfahrung mit Geburtstagsfeiern.
Der Tag der Tage kommt.
Kind nicht mehr zu gebrauchen, Mutter leicht angespannt – alles normal also.

Viertel vor 3: Ankunft des Vaters der Kinder – mein Ex.
Was muss, das muss!
Er: „Sag mal, fahren wir jetzt zur Marktkirche oder zur Münsterkirche?“
Ich: „Wie jetzt? Warum fragst du? Zur Marktkirche natürlich, was sollen wir auf der Münsterkirche.“
Er: „Weil du am Telefon immer Münsterkirche gesagt hast und nun redest du von der Marktkirche.“
Ich hasse ihn, wenn er das tut, dieser Klugscheißer.
Nun doch zweifelnd, griff ich zum Telefon. Was interessieren mich 40°C Fieber, ich muss den Küster sprechen.
„T’schulligung, ja tut mir auch total leid. Es ist zu blöd, aber … sind wir an der Marktkirche oder an der Münsterkirche verabredet?“
„Sie wollten auf die Münsterkirche, wieso?“
*kreisch*
*räusper* (kleinlaut) es ist mitterweise 5 vor 3 Uhr: „Und auf die Marktkirche geht so gar nicht, stimmt’s?“
„Nö, hab ich keinen Schlüssel für. Müssen Sie mit dem Küster der Marktkirche sprechen. Hier seine Durchwahlnummer.“

Durchwahlnummer: Mailbox! 2 Minuten vor 3 Uhr.
Rückruf bei Küster 1: „Vergessen Sie mein Geschwätz von vor 2 Minuten. Wir besteigen die Münsterkirche. Wird klasse! Bestimmt! Vielen Dank!“

3 Uhr: Die ersten beiden Gäste kommen. Die Party steigt. Im Vorfeld hatte sich die Anzahl der Gäste stark dezimiert, weil der Geburtstag dummerweise auf den Einschulungstag fiel und zwei der Gäste kleine Geschwister hatten und dann war da noch die goldene Hochzeit einer Oma – kurz wir waren nur noch vier Gäste, zwei eigen produzierte Kinder und die leiblichen Eltern. Wer mitgerechnet hat, dem ist es nicht entgangen: Es fehlen 50 % der Gäste, in Zahlen 2.
Es wurde 5 nach drei, es wurde 10 nach drei, es wurde auch Viertel nach drei. Zur Erinnerung um 15.30 Uhr mussten wir im Auto sitzen, um um 16 Uhr an der Münsterkirche zu sein, weil um 16.30 Uhr die Glocken die Kinder taub machen.

15.30 Uhr die Vermissten erreichen schnaufend die Burg:
„Wir mussten noch mit dem Hund gehen!“
„Keiiiiiiin Problem!
Schön, dass ihr da seid. Esst den Kuchen, aber schnell, wir müssen los!“
Münsterkirche, 15.50 Uhr!
Massenauflauf – Hochzeit!
Große Tochter: „Man, was das Kleid gekostet hat, dafür könnte man vier Wochen in Urlaub!“ Mutter ergänzt: „Die Scheidung wird noch teurer!“
Mutter schlängelt sich am glücklichen Paar vorbei in die Kirche, schnappt sich ein nach Küster aussehendes Männlein und klärt die Lage.
Aufatmen: Er weiß Bescheid, die Kinder sollen reinkommen.
Er schließt uns eine Tür auf und sagt: „Da hoch, bis es nicht mehr weiter geht!“

Ähhhh, Führung? Kostüm?
Ich frag nicht mehr, rauf da!
Wendeltreppe, 860 Stufen, ich in Pumps – Organisationstalente kennen keinen Schmerz.
Über Geröll – was haben die da denn Ausgegraben?
Große Tochter lautstark: „Ey, liegen da unten Skelette?“
Sie wird enterbt.
Holztreppe, es wird dunkler.
Das erstes Kind zittert: „Ich habe Angst im Dunklen!“
Es ist stockdunkel, das erste Kind fängt an zu heulen.
In Krisensituationen wachse ich über mich hinaus.
*kreisch*
„Alle zurück!“

Jappsend, die heulenden Nervenbündel beruhigend, erreichten wird wieder das Dämmerlicht mit den Skeletten.
Nun tat mein Ex einmal im Leben etwas Nützliches: Er fand den Lichtschalter!

Ok, aufwärts again!
Blick über Hameln, nett!
Das Geburtstagskind schaut mich flehend an: „Fahren wir jetzt bitte wieder nach Hause?“
„Ja, Kind, jetzt fahren wir nach Hause und feiern deinen Geburtstag.“