Freitagmittag, fünf Schulstunden liegen hinter der gestressten, doppelt belasteten Enddreißigerin, da schlage ich oder besser aufgrund geistiger Abwesenheit, nur noch mein Körper im Aldi auf. Schnell noch die lebensnotwendigen Grundnahrungsmittel, Eis, Schokolade und Wein besorgt, bevor das Wochenende mich in die kuscheligen Arme schließt.
Aldi ist deshalb so nett, weil man da blind einkaufen kann.
Routiniert, wie in Trans belade ich den Wagen, drei-ein-halb Minuten später stehe ich an der Kasse. Vor mir eine auffällige Erscheinung.
Zunächst sehe ich nur ein Walle-Walle-Kleid mit einem Lady-Di-Gedächtnishut vor mir Lebensmittel auf das Band laden. In dem Walle-Walle-Kleid steckte eine voluminöse Gestalt, die dieses Kleid fast vollständig ausfüllte und ich fragte mich schon, ob es nötig werden würde, meinen Wagen als Rammbock zu benutzen, um sie durch die enge Gasse zu ploppen.
Die Atemnot der BMI > 50 ließen Erinnerungen an Darth Vader in mir hochkommen, aber ich war zu kaputt zum Lästern.
Als Walle-Walle die Kassenzone geräumt hatte, lag da, wo sie kurz zuvor die Sonne verdunkelt hatte eine Packung Zigarettenhülsen.
Ok, ich bin durchtrainiert und zwanghaft hilfsbereit, heb das Ding also auf und frage Walle-Walle, ob sie es verloren hätte.
Große verwirrte Augen starren mich an und sie labert irgendwas von Tasche.
Waren ihr die Dinger nun aus der Tasche gefallen oder was?
Keine Ahnung, ich drücke also die Packung der Kassiererin in die Hand.
Walle-Walle setzt zu einem neuen Erklärungsversuch an, aus dem wir entnehmen konnten, dass sie wohl mit ihrer Riesenhandtasche diese Packung runtergeragt habe, usw. usw. bla, bla …
Ich höre nicht mehr hin, ich will nach Hause.
Meine Einkäufe liegen inzwischen im Wagen und ich will bezahlen, da steht Walle-Walle neben mir und überreicht mir eine weiße Rose (aus dem Blumenstrauß, den sie gerade erworben hatte).
„Für ihre Freundlichkeit, dass sie sich gebückt haben.“
Hm, fand ich süß, bedankte mich artig mit den Worten: „Na, das ist ja mal ein nette Einstieg ins Wochenende, vielen Dank!“
Aber nun ging die Geschichte erst los!
Walle-Walle (mit transzendenter Stimme – durch den halben Aldi):
„Weiß – …. – ist – die – Farbe – der – heiligen – Mutter – Maria!“
Ja, ne, is klar!
Nach 20 Jahren Lehrerzimmer bin ich ja den Umgang mit Leuten, die anders sind als andere gewöhnt, da steige ich doch voll drauf ein.
Ich: „So, so, und wofür steht die Mutter Maria?“
Walle-Walle (noch lauter und theatralischer):
„Für aaaaahhhhhllllllleeeeeesssssss!“
Großes Fragezeichen in den Augen aller Zuschauer dieser skurrilen Szene.
Ich dachte nur: Warum immer ich?
Warum erkennen mich die Irren dieser Welt und wählen zielstrebig immer mich aus?
Walle-Walle: (nun auch für die Leute auf dem Parkplatz verständlich):
„Die heilige Mutter Maria sieht all unsere Gedanken!!!!“
Dazu muss man im Moment nicht heilig oder Maria sein, wir dachten alle dasselbe:
Die Alte hat einen mächtigen Sprung in der Schüssel!
Walle-Walle:
„Die heilige Mutter Maria sieht all unsere Ta-ha-ten!“
Ich zur Kassiererin: „Da bin ich für heute fein raus. Ich tue nix mehr, ich habe Wochenende, da gib es nix mehr zu gucken für die heilige Maria.“
Walle-Walle:
„Jede Ta-ha-t zieht eine andere Ta-ha-t nach sich. Alles nimmt Bezug zueinander. Sie liest unsere Gedanken – sie sieht alle Taten! Nichts bleibt unbeobachtet – nichts bleibt ungesühnt!“
Raus hier – nur noch raus hier!