So, und hier kommt er, unser kulturschwangerer Abend.
Zur Vorgeschichte:
Meine Jüngste nimmt gerade an so einem Projekt teil: Juden in der Nazizeit in Hameln! Die erste auf deutschem Boden 2010 errichtete Synagoge steht direkt neben der Schule, es bietet sich also an!
Im Rahmen des Religionsunterrichts haben die Kids dann auch diese Synagoge besucht.
Da ist meine kleine Rampensau dann mal wieder durch besonderes Interesse aufgefallen:
Ende vom Lied, sie sollte an einem Abend im Rahmen einer Vortragsreihe ‚Theresienstadt…‘ von diesem Besuch berichten. Hochoffizielle Einladung an die Angehörigen folgte, also an die große Schwester und mich.
Ok, müssen wir hin!
Namentlich reservierte Plätze! War ich froh, dass ich die Gartenjeans vorher ausgezogen hatte.
Monotone Einstiegsrede von Frau Prof. Dr. Schlagmichtot, die vortrefflich demonstrierte, wie man Reden nicht halten sollte.
Die Große unterdrückte ein Gähnen!
„Kind reiß dich zusammen!“
Vortrag meines Ablegers!
Soweit der für uns interessante Teil des Abends.
Dann kam der musikalische Part!
Mhhhmmmmm!
Nun bin ich nicht wirklich ein Freund der höheren Muse.
Klassische Musik verschließt sich mir in der Regel!
Geige, Bratsche, untermalt von Oboe – also mir fehlt da der Pepp!
David Garrett ist ok!
Aber der sieht auch lecker aus! Da isst das Auge mit!
Liegt natürlich an mir!
Ich oute mich als Kulturbanause!
Nun fiedelte dieses Schulorchester aber nicht alleine.
Das hätte ich, der Kinder wegen, noch für gut gefunden!
NEIIIIIIN!
Sie wurden unterstützt … vom jüdischen Chor!
Mhhhhmmm!
Deeen muss ich beschreiben!
Fünf Mitglieder, Durchschnittsalter 80!
Aber künstlerisch sehr angehaucht.
Orangerote Dauerwelle mischte sich farblich originell mit quietschgrünem Häkelpulli, unter dem sich der Doppel-D spannte.
Mutig gewählt!
Aber laut haben sie gesungen!
Nicht immer richtig, nicht immer dem Einsatz des Dirigenten folgend, gerne mal im Solo, obwohl Chor verlangt war, aaaaaber todunglücklich!
Die Gesichter spiegelten 2000-jährige Verfolgung wieder.
Man war überzeugt von dem, was man da dem Publikum zumutete.
„Lei, lei, lei, lei, …. lei, lei, lei, lei!“
Jaor, könnte ich mitsingen!
Ellenbogen in die Rippen von meiner Erstgeborenen: „Einen Ton! … und du wirst enterbt!“
Schweiß abwisch! Überstanden!
Zu früh gefreut!
Wir haben noch ein zweites Lied im Repertoire.
Keine Mimik, gleiche Gestik, gleiche Musik:
„Schabba, Schabba, …. Schabba, Schabba!“
Die Große kneift sich sichtbar in den Arm, um nicht laut loszuprusten.
Na warte, Liebelein!
Ich flüstere ihr zu: „Das ist das Lied von der Küchen-schabba!“
Meine Tochter klappt neben mir zusammen wie ein Taschenmesser. Den Lachanfall überlebt sie nicht!
ICH gucke stur nach vorne!
ICH mag Kultur!
Überstanden!
Die Stars treten ab!
Überstanden?
Zu früh gefreut!
Gerhard Gelderblom, ehemaliger Gymnasiallehrer, heutiger Hobbi-Historiker war ja noch gar nicht zu Wort gekommen.
Eigentlich hatte man seine Rede, wegen der üblichen Länge, auf den morgigen Abend verschoben. Hinderte ihn aber nicht daran, mal gaaaanz kurz etwas zum Thema zu sagen. Er parlierte dann auch nicht mal eine geschlagene Stunde über Ludmilla aus Novosibirsk, die als 16-jährige 1940 nach Hameln als Zwangsarbeiterin verschleppt wurde und noch weitere 20 Leidensgenossen. Tun mir alle furchtbar leid, ehrlich, aber ich sitze hier seit eineinhalb Stunden.
Annemie, ich kann nie mie!
Wer hat das mal gesagt?
Die 10 Gebote der Unterhaltung?
Gebote 1- 10: „Langweile nicht dein Publikum!“
Gelderbom fertisch!
Nach Hause?
Ach was!!! Der Schulleiter hat ja noch nicht!
Der Schulleiter dieser höheren Bildungsanstalt ist Kult!
Man liebt ihn, man lacht über ihn, man verarscht ihn!
1,50 m groß, wenn er Schuhe mit Absätzen an hat. Kugelrund!
Und eine Stimme wie Grzimek!
Ihr erinnert euch: Die Steinlaus!
Dieser kleine, possierliche Mann bedankte sich nun bei allen Anwesenden, für ihre Anwesenheit, bei den Eltern, für die Zeugung der Anwesenden, bei den Rednern für ihre Reden und deren Eltern für die Zeugung der Redner, bei den Musikern fürs Musizieren und den Instrumenten für deren Geduld.
Die Sänger ließ er aus!
Man, man, man, wenn man solche Abende mögen muss, um zu den oberen 10.000 zu gehören, lasst mich bitte ein Underdog bleiben!