… noch ein Peter
Die Lovis hatte ja nun heute schon Wochenende.
Haben Lehrer Wochenende?
Nie nicht!
Als Beamtin, immer im Dienst.
Also Lovis, was kannst du an deinem freien Tag für deinen Dienstherren tun?
Richtig!
Zu den Öffis fahren!
Hintergrund: Ich muss übernächste Woche mit einer Horde Viertklässler nach Hameln in die Jugendverkehrsschule. Fahren wir mit dem Bus hin, ca. 7 km.
Habe die Strecke natürlich schon öfter gemacht und jedes Mal, wirklich jedes Mal gibt es Stress mit dem Busfahrer. Busfahrer mögen es nämlich nicht, wenn bei ihnen Leute im Bus mitfahren. Sie hassen es, wenn diese Leute Kinder sind und ultrahassen es, wenn diese Kinder in Gruppen auftreten.
Um Stress zu vermeiden, besorge ich mir die Fahrkarten daher gerne schon mal im Voraus. Auch gab mir ein nicht ganz so agro Busfahrer den Tipp, es gäbe doch Gruppenkarten, ich muss also nicht die Fahrt über am Automaten stehen und wie blöde fünf Viererkarten abstempeln, während der verhaltensauffällige Jan-Lukas die Gummidichtung aus den Fenstern prokelt.
Ok, stellte sich also nun die Frage: Wie teuer ist die Hin- und Rückfahrt nach Hameln mit einer 20 Kinder starken Gruppe an einem Montagmorgen?
Soweit könnt ihr mir folgen, oder?
Und nun dachte ich mir: Lovis, greife nicht zum Telefon! Da hast du bisher zu drei Anfragen vier unterschiedliche Antworten bekommen und hinterher behaupten die, nie mit dir gesprochen zu haben.
Nein, heute bist du schlauer! Hast ja deinen freien Tag.
Fahr doch mal fix zum Bahnhof und klär das im Tourismusbüro:
rechts für Bahnkunden – links für Öffi Kunden (ich kenn mich aus – steh nicht wieder zwei Stunden in der falschen Schlange).
Die Bude ist unerwartet leer: Es wird ein schöner Tag!
Am Schalter sitzt Peter M., jedenfalls verrät mir das sein Sticker am hellblau knittrigen Diensthemd. Peter freut sich mich zu sehen, endlich Kundschaft.
„Was kann ich für dich tun?“
Wie jetzt, wir sind per DU?
Peter ist ein Mann in fortgeschrittenen besten Jahren, ich eine Frau von bekanntlich mehrfach 39, wir sind die Generation, die noch erzogen wurde.
Das DU ist befremdlich, aber kein Problem, geht ja ganz fix, der Peter ist Profi, der dröselt mir in unter 10 Sekunden eine Antwort aus seinem PC.
Ich erkläre ihm mein Anliegen, Peter bemüht PC und Taschenrechner gleichzeitig: „12,60 €.“
„Peter? 12,60 € für ein Kinderticket für eine 7 km lange Busfahrt????“
„Äh, nee, äh, das ist ja das Weserbergland-Tagesticket, gilt für 5 Personen, müssen wir also durch fünf teilen, der Taschenrechner wird bemüht.“
„Hier gucken Sie mal mit, “ Peter hält mir seinen Antik-Taschenrechner unter die Nase. Mich freut es, dass wir nun wenigstens beim Sie sind.
Ich will aber gar nicht auf Peters Taschenrechner gucken, ich will den Preis, den jedes Kind für eine Hin- und Rückfahrt zahlen muss, und erinnere daran, dass wir durch mehrere Zonen fahren.
Das ist zu viel für Peter: „Ich telefonier mal eben und mach mich schlau.“ *zwinker, zwinker*
Peter greift zum Telefon und ich blicke die Frau hinter mir fragend an und zucke mit den Achseln. Ist es so ungewöhnlich, in der Zentrale der Öffis nach einem Fahrpreis zu fragen?
„Hallo Kati, ist Pit“.
Pit?
Diese Wuchtbrumme hinterm Schalter nennt sich Pit? Ok, die Figur eines Pitbulls hatte er, wäre aber aufgrund seines überschüssigen Sanftmuts aus jeder Zucht geflogen. Außerdem drängte sich bei mir so langsam der Verdacht auf, dass er bei einem Intelligenztest den Platz hinter Knäckebrot einnehmen würde.
Kati, am anderen Ende nannte nun den regulären Fahrpreis von 2,80 € pro Kind. Der Preis war mir bekannt. Damit gab sich Pit aber nicht zufrieden. „Gruppenpreis, Kati, der Gruppenpreis, der muss doch niedriger liegen als der Einzelpreis. Weißt du nicht, ob es einen Gruppenpreis gibt für Kinder unter 10? Ja, das Weserbergland-Ticket, das habe ich der Kundin auch schon empfohlen.
Was? Erst ab 9 Uhr? Moment ich frag mal!“
Zu mir: „Sie fahren doch nach 9 oder?“
„Nein, Pit, ich fahre um 8.24 Uhr los, sorry.“
Pit sackt zusammen. Das Weserberglandticket kann er vergessen.
Die Schlange hinter mir reicht inzwischen bis zur Bürotür.
Pit legt seufzend auf.
„Also“, sagt er seufzend, „billigeres als den Einzelfahrpreis gibt es nicht“.
„Doch, Peterle, gibt es!“
Ich schaue in staunende, ziemlich alte Kinderaugen.
„Peterle, ihr habt ein Viererticket!
Das ist billiger als Einzelkarten!“
Da strahlt er, mein Petermann.
Das ist diiiiie Lösung!
„Ist es nicht, Peterchen!
Bei der Viererkarte stehe ich stempelnd am Kartenautomaten, und Jan-Lukas zweckentfremdet das Notfallhämmerchen.
Kaufe ich 20 Einzelkarten beim Busfahrer, zweckentfremdet der das Notfallhämmerchen.“
„PEEEEETEEEER!“
„Ich brauche eine (in Worten uno, une, lonely) Karte, mit der alle Kinder hin- und zurückfahren können und ich will den Preis für dieses Scheißding wissen und wo ich es kaufen kann.“
Besondere Kundinnen, verlangen nach besonderen Maßnahmen.
Peter greift zum Telefon und zwinkert mir zu:
„Ich rufe jetzt beim Chef an, ganz oben, wenn der das nicht weiß, weiß das niemand!“
Die Kreislaufschwachen in der Schlange werden von denen, die noch Kraft haben gestützt.
Peter setzt sich kerzengerade hin, der Chef ist in der Leitung.
„Ja, äh, ich habe hier ein ziemlich kniffliges Problem.“
Und dann folgt eine langatmige, sehr langatmige Erklärung der Situation, mit sämtlichen Preisen und Zwischenpreisen. Die 15 minütigen Erklärung gipfelte in der finalen Frage: „Gibt es eine Gruppenkarte?“
Man hätte eine Stecknadel im Büro fallen hören können.
Niemand atmete! Vielleicht waren die ersten auch schon verstorben, wer weiß?
Peter: „Das Weserbergland-Ticket?“
Chorantwort der Wartenden:
„Mensch, Peter, das gilt doch erst ab 9, das kann sie nicht nehmen, sie fährt um 8.24 Uhr.“
Peter: „Das gilt erst ab 9 Uhr. Die Kundin fährt früher.
Kann der Fahrer ein Sammelticket ausstellen?
Kann er? Er kann!
Und wie teuer ist das?“
Die Spannung steigt ins unerträglich.
„2,80 € pro Kind! Danke, Chef! Untertänigsten Dank!“
Peter strahlt mich an: „Ich hab’s! Sie müssen bei der Sammelkarte 2,80 € pro Kind bezahlen.“
Peter ist stolz auf sich!
Leute, ich war sage und schreibe, 45 Minuten in diesem Büro.
Als Ergebnis kam heraus, dass die Fahrt 2,80 € kostet, was ich vorher wusste, es offenbar keine Ermäßigung gibt und es dieses Ticket beim Busfahrer käuflich zu erwerben gibt.
Und ich wette mit euch, wenn ich am Montagmorgen mit 20 Kindern in den Bus einsteigen will, erzählt mir der Busfahrer wieder etwas anderes und schimpft, wenn ich Glück habe nur auf die Zentrale, dass man ihn wieder nicht informiert hat, dass eine Massenbeförderung von kleinen Menschen ansteht.