Reisekostenabrechnung

Anruf bei Lovis – dienstlich!
Reserve-Chef am Apparat:

„Du, Lovis, es gibt ein Problem.
Nimm es nicht persönlich …“

Wenn er so anfängt, habe ich Scheiße gebaut, die Alte (Haupt-Chefin) hat’s gemerkt und er muss es mir schonend beibringen.

„Es geht um deinen Reisekostenantrag von Februar.
Du weißt ja, dass wir verpflichtet sind jeden Antrag auf Richtigkeit zu überprüfen und mit unserer Unterschrift dafür gerade stehen müssen.“

Ja, das ist der Hammer!
Der Mann ist ein hochdotierter Beamter (A15 – da verdient man schon recht ordentlich) und vertreibt sich die Vormittage damit monatlich etwa 150 Reisekostenanträge auf Richtigkeit zu überprüfen. Könnte für meinen Geschmack auch eine Bürofee erledigen, ohne zwei Staatsexamen, mit gefälliger mittlerer Reife und einem Viertel an Gehalt.

So, was war nun der Grund des Anrufs?

„Bei deiner Fahrt am 21.2. … also ich habe das jetzt dreimal bei Google Maps eingegeben … und bekomme immer wieder 3 km weniger raus als da bei dir steht.“

KREISCH!!!! NEIN!!!

Ich habe drei Kilometer zuviel abgerechnet. *Ohnmacht*

Ich bekomme 30 Cent den gefahrenen Kilometer.
Ich wollte mich um 90 Cent bereichern.
Ich bin über mich selbst erschrocken!

Nachdem ich mich gefasst hatte, fiel mir ein, dass auch ich seeeehr gewissenhaft die gefahrene Kilometerzahl ermittele.

Hat der Master-Beamte ein anderes Google Maps als ich?

Oder hat er sich ’ne App draufgezogen, die dem Kostendämpfungsgesetz für Beamte entspricht und automatisch bei jeder Fahrt nur die Luftlinie berechnet?

Da fiel mir die Lösung des Problems ein!!!

„Gerdchen!
(Wir duzen uns, er hat mich seit 20 Jahren am Hals. Man kennt sich.)
Mein Gerdchen!
Hast du denn vergessen, dass die Weserbrücke dicht ist?
Ich konnte nicht die direkte Strecke fahren.
Daher der Umweg von drei Kilometern.“

Schweigen in der Leitung (bei der Leitung *Wortwitz*).

„Ja, äh, nee, äh, dann hättest du das aber als Fußnote anmerken müssen, Lovilein.“

Asche auf mein Haupt, daran hatte ich nicht gedacht!

Ich war bisher auch nicht darauf gekommen, dass Gerdchen die Kilometerzahl per Google Maps nachrechnet.
Ich dachte, der Mann hätte Wichtigeres zu tun.
Wie man sich täuschen kann.

„Gerdchen, mein Großer, wie wäre es denn, wenn du da jetzt für mich den Antrag mit der Fußnote ergänzt?“

Ich denke manchmal so schlicht.

Schweigen in der Leitung (bei der Leitung).

„Nein, das geht nicht, Lovis!“

„Geht nicht? Warum nicht?“
Beide Arme in Gips, Formular-Phobie (könnte ich verstehen), plötzlicher lähmender Burn-out mit Arbeitsverweigerung?
„Was hindert dich, mein Gerdchen, meinen Antrag durch diese kleine Fußnote zu ergänzen?“

„Das darf ich nicht, Lovis!
Du hast ja diesen Antrag unterschrieben!
Das wäre Urkundenfälschung.“

Ich hoffe, er hat den dumpfen Aufprall meiner Stirn auf den Schreibtisch nicht gehört.

„Ok, ok, ok, Gerhard.
Ich schwing mich in mein Auto, komm zu dir ins Büro und ergänze meinen Antrag mit dem Halbsatz: Wegen Straßensperrung Umweg erforderlich!“

„Das würdest du tun?“
Erleichterung am anderen Ende.
Muss man verstehen, er hat die Chefin im Nacken.
Der Mann hat es auch nicht einfach.

Er hat aber auch mich. *grins*

„Klar mach ich das, Gerdchen!
Ich fahre doch gerne mal 20 km durch die Gegend. Und diese Fahrt, die ja dienstlich veranlasst wurde, durch deine Anweisung, rechne ich dann mit 30 Cent pro km in der nächsten Fahrtkostenabrechnung ab.
Macht 6 Euro!“

Schweigen in der Leitung (bei der Leitung).

Langes Schweigen in der Leitung.

Tiefes Seufzen!
Ich konnte seine stumme Verzweiflung hören.

„Du machst es einem aber auch nicht einfach, Lovis. *stöööhn*

Also gut. Ich nehme das jetzt auf meine Kappe und setze die Fußnote darunter.
Mit dem Vermerk nach telefonischer Rücksprache vom 1.3.“

Ich sinke benommen vor Glück unter meinen Schreibtisch.

Liebe Steuerzahler!

Dieses Gespräch, was annähernd so stattgefunden hat, hat etwa eine Viertel Stunde gedauert. Es wurde geführt von zwei Beamten im gehobenen Dienst, also mit gehobenem Gehalt und hat den deutschen Steuerzahler, ohne jetzt mit spitzem Bleistift zu rechnen, round about 30 Euros gekostet. Da Beamte ja nicht nach Stunden bezahlt werden, muss hier auf die Cent genaue Abrechnung verzichtet werden.

Dem gegenüber stehen 90 Cent, die der Staat nicht mal einspart, da ich die ja nun trotzdem bekomme.

Deutschland, ich bin beruhigt!
Auf deine Beamten ist Verlass!