Beim Griechen

Costa ist auch nicht mehr das, was er mal war

Nach einem ganzen Tag Schule, plus Nachmittagsunterricht plus Besprechung hatte ich nun 0-Bock-auf-cooking und die Kids waren relativ schnell überredet zum Griechen zu gehen.

Einst mein Lieblingsladen, waren wir in letzter Zeit nicht mehr so oft da.

Umso größer die Freude bei Costa, den ich seit nun mehr über 20 Jahren kenne, mit dessen Sohn ich einst durch Diskotheken gezogen bin, der mir zu Hochzeit und Schwangerschaft gratulierte, mit dem ich auf die Geburt seiner Zwillinge angestoßen habe und der mir Fotos von seiner alten Heimat zeigte.
Kurz wir kennen uns lange, sehr lange.
Und während ich mein Alter hielt, ist der gute alte Costa doch so langsam in die Jahre gekommen, um nicht zu sagen alt geworden, sehr alt.
Älter als man bei einem 65jährigen erwarten sollte.
Das Kneipenleben fordert eben doch seinen Tribut.

Ok, ok, ich beschreibe ihn euch.
Costa ist, wie der Name schon sagt Grieche, lebt seit 40 Jahren in Deutschland und beherrscht die deutsche Sprache so gut, wie ich Griechisch nach einem 14-tägigen Urlaub. Ein böser griechischer Gott namens Testosserus hat dafür gesorgt, dass sich Costa schon in jungen Jahren von seiner schwarzen Lockenpracht zugunsten einer spiegelglatten Platte verabschieden musste. Das aber ließ sein Ego nicht zu und er entschloss sich zum Erwerb eines Fiffis, auch schwarzgelockt. Dieser Fiffi sitzt nun tagesformabhängig mal mehr oder weniger gut, ist aber im Laufe der Jahre immer weniger in der Lage dem ergrauten Echthaar, was sich trotzig an den Rändern im Nacken den Weg ins Freie kämpft, Einhalt zu bieten. An schlechten Tagen gleicht Fiffi einer Baskenmütze.
Unter dem Fiffi ist nun ein, sonnengegerbtes, zerfurchtes, nennen wir es mal Gesicht, das auch 40 Jahre Feldarbeit wiederspiegeln könnte, wurde aber statt von der Sonne, vom Nachtleben und Alkohol gemeißelt.
Costas Aussprache ist feucht und genuschelt, was bei dem übersichtlichen Wortschatz aber keine Rolle spielt, er sagt eh immer dasselbe zur Begrüßung:

„Aaahhhh, söne Frau komme in meine Restaurant un die Kinna auch alle sön.“

Die Bürde seiner Jahre zwingt ihn zu einem schlurfenden Gang und ich musste unwillkürlich an George denken, den Butler von Miss Sofie, ihr erinnert euch – Silvester auf allen Dritten. Und auch die Art, wie Costa die Kurven in seinem Restaurant nimmt – eine Hand an der nachgemachten Marmorsäule – die andere balancierend in der Luft erinnerte mich verblüffend an George im Endstadium, wenn er sich, um die Kurve zu kriegen, an Miss Sofies Stuhl festhält.

Nun denn, Costas Attraktivität ist nicht der Grund, warum ich diese Lokalität aufsuche. Ich mag das Griechische Essen, die Musik und überhaupt …

Was um alles in der Welt hängt da neben Odysseus???

Costa hat sich was gegönnt: Einen überdimensionalen Flachbildschirm von der Größe einer Häuserwand!
On! In Betrieb!
Nicht Stand-by!
On – volle Pulle!
Privatfernsehen der übelsten Sorte!

Ich dachte noch der wäre von der EM übrig geblieben und gab mich der Illusion hin, da wir ja früh dran und die ersten Gäste waren, dass dieses Mammut-Television-Gerät nun doch abgeschaltet würde und vertraute griechische Klänge meine Gehörknöchelchen verwöhnen werden.

Weit gefehlt!

Das Personal bestehend aus Costa und Frau Costa waren nicht geneigt ihren Fernsehabend wegen ihrer Gäste zu unterbrechen.

Es nervte – und es nervte zunehmend!
Ich möchte mich unterhalten in einem Restaurant, ich möchte definitiv nicht fernsehen und bestimmt nicht ‚verbotene Liebe‘ oder dergleichen. Sendungen, die bei mir so schnell ausgeschaltet werden, dass ich nicht mal den vollen Titel mitkriege. Auch die Werbeunterbrechungen, in denen wechselnd für Scheidenpilzmittel und verdauungsfördernden Jogurt geworben wurde, hatten bei mir keine appetitanregende Wirkung.
„Ich breche gleich ins Essen“, war ein ernst zu nehmender Hinweis von mir.

Außerdem hat dieses Riesenteil den ganzen Strom im Laden verbraucht, denn sowohl Ouzo als auch das Weizen hatten Zimmertemperatur, für den Kühlschrank war einfach kein Strom mehr übrig.

Costa, ich bitte dich!
Bau das Ding wieder ab, dreh die griechische Mucke an, komm mit gut gekühltem Ouzo, nicht den Billigen für die Gäste, sondern deinem Privaten, an unseren Tisch und erzähl mir von deinen Kindern.

 

 

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