Paul Panzer war bemüht

Ab einem gewissen Alter führt der wohlgeratene Nachwuchs ja ein studentisches Eigenleben. Da reicht es nicht mehr die Brut mit einer warmen Mahlzeit an die mütterliche Burg zu locken, nein, da muss man mit kulturellen Events locken, um zu sehen, ob sich Tochter 1.0 in den letzten Monaten optisch verändert hat. Karten für Paul Panzer statt Steak bewegten das gute Kind denn auch dazu sich stundenlang der Deutschen Bahn anzuvertrauen und ich war dann recht zufrieden, dass ich sie aus dem Stand wieder erkannt habe.
Aufgebrezelt und gut gelaunt fuhren wir drei Grazien denn auch abends gen Rattenfänger-Metropole.
Rattenfängerhalle, Hameln, Mehrzweckhalle, gestern Handball heute Paul Panzer. Das Nette an dieser Halle sind die reichlich unterirdisch, vorhandenen Parkplätze. Normalerweise!
Heute nicht!
Besetzt!
Shit!
Insider steuern den nächsten Open-air Parkplatz an, 200 m Fußweg, schon grenzwertig für den Wanderfreak!
Parkautomat kaputt, Schranke bleibt zu!
Jetzt wurde es eng, zeitlich, aber auch kilometermäßig, denn das nächste Parkhaus war schon eine sportliche Herausforderung. Es sei denn man fand eine halbillegale Lösung, halb auf dem Gehweg, halb in der Seitenstraße, mit Potential zum Abgeschlepptwerden oder mindestens einem Ticket.
Die Aussicht auf sportliche Betätigung erleichterte die Entscheidung.
Bye-bye Corsa, hope we see you again!

Unterwegs meinte 1.0: „Wetten, die Alte mit der schrillen Lache sitzt wieder direkt hinter uns!“
Krasser Stopp!
2.0 und MOI bleiben wie angewurzelt stehen!
Eine Prophezeiung!
Wir hassen das, wenn sie das macht!
Einmal ausgesprochen, ist es nicht mehr zu stoppen!
Warum?
Warum tut sie das?
Es fing damals an. Sie war neun, kam die Treppe rauf, rieb sich die Äugelchen und nuschelte: „Ich habe geträumt, beim Bauern gegenüber brennt’s.“
Nächsten Tag, Alarm, Blaulicht, Schornsteinbrand beim Nachbarn.
Ok, ihre Oma hatte rote Haare, ich weiß also aus welcher Ecke es kommt.
Ich nehme die Talente meiner Kinder hin, Umtausch ist eh ausgeschlossen, habe ich eben ein Medium in der Familie. Kann ja auch mal nützlich sein.
Das Problem an ihren Voraussagen ist nur, man kann ihnen nicht ausweichen!
Bei der Freilichtbühne im Sommer hatte sie eine Übergewichtige mit Transspirationsüberschuss neben mir vorausgesagt, DAS war nicht lustig! Und es war unausweichlich!
Und es wird nicht besser, wenn man es vorher weiß!
Und heute sollte mich also eine schrille Lache zur Weißglut bringen!
Nahein, alles Blödsinn!
So etwas gibt es nicht!

Wir erreichten zügigen Schrittes mit hängender Zunge die Vergnügungsstätte und wurden grinsend von einem sehr wichtigen Security Mann gestoppt: „Gaaanz chillig, ihr Süßen! Hier geht das erst los, wenn ich das Licht ausmache!“
Der richtige Mann am richtigen Platz.

Ich hasse es ja, wenn die Leute, die in der Mitte der Reihe sitzen ihre Plätze in der letzten Minute anstreben und so die ganze Reihe hochscheuchen. Aber was willste machen … T’schulligung, t’schulligung!

Platziere ich doch gerade meinen Mantel über den Stuhl: „HAAATSCHIIII!!!“
Sie war da!
Hinter mir!
Nießt so laut und feucht, dass ich froh war, dass mein Mantel wasserabweisend war.
Ich springe sichtbar zurück um der Virenexplosion zu entgehen, starre sie an, sie starrt zurück.
Seit gestern glaube ich an Liebe auf den ersten Blick!
Lass sie Mitte 20 gewesen sein, Statur kräftig, in eine durchsichtige, weiße Bluse gehüllt, bauchfrei, geschminkt nach dem Motto ‚viel, hilft viel‘ und, wenn das nicht reicht um aufzufallen, gönn ich dem voluminösen Körper noch ein paar Standardtatoos an gut sichtbaren Stellen.
Das ist sie also, die Frau, die mir den heutigen Abend versüßen soll!

Kleiner Tipp an Paul Panzer: Junge, das Opening musste ändern, das ist nix!
Da labert irgend so ein Typ ins Dunkle, mittelschwere Kost zum Thema Glück …
Näääää!
Dann kommt unvermittelt der Komiker auf die Bühne und wirkt zunächst deplatziert. Er plappert sich etwas mühevoll warm, naja, ein ganz Großer seines Fachs ist er nicht. Aber ein paar Pointen sitzen denn doch überraschend gut.
Hätten gesessen, hätten …
Denn, was mir erst später klar wurde, eingeweihte Fans des Künstlers aber natürlich wussten, der Star geht auf ungewöhnliche Lacher, ungewöhnlich intensiv ein. Er hebt sie hervor, lacht über sie, lobt sie. Tja, und was wissen wir Pädagogen und Trainer jeder drittklassigen Hundeschule über positive Verstärker?
Sie wirken! Sie verstärken!
So fand also im Saal ein regelrechter Wettbewerb im ‚wer hat die lauteste schrille Lache‘ statt.
Und hinter mir saß offensichtlich die erste Vorsitzende des Fanclubs.
Jeden Atemzug des Stars kommentierte sie mit kreissägenähnlichen zur Bühne ausgerichtetem Demonstrativ-Lachen, 10 cm von meinen Ohren entfernt.
Blöd für sie, ab Reihe 5 kann auch ein routinierter Star wie Paul, die hysterische Alte nicht mehr genau orten. Er sprach sie nicht persönlich an! Guckte nur diffus in ihre Richtung.

In der Pause lehnte sich Moppelchen erschöpft und zufrieden zurück, strahlte ihren Begleiter offensichtlich wahrnehmungsgestört an,  mit den Worten: „War ja klar, dass ich mit meiner Lache auffalle!“
1.0 und MOI drehen uns synchron herum und kontern wie Zwillinge aus einem Mund: „Wenn man sonst nix hat, womit man auffällt!“
War es die Erschöpfung aus der ersten Hälfte oder unser Kommentar?
Die zweite Halbzeit hatte sie keinen Spaß, zumindest keinen lautstarken und wir konnten endlich unsere Aufmerksamkeit auf die Bühne konzentrieren.
Die besten Szenen waren die, wo etwas schief ging. Ok, sagt eigentlich schon alles über den Künstler.
Der Schluss kam abrupt und unvermittelt, quasi mitten im Satz. Paul, da musste auch noch mal ran!
Insgesamt sollte der Mann nicht in großen Hallen auftreten. Nettes Stündchen in einer netten Szenekneipe, wäre das Format, das ich ihm empfehlen würde.
Und: … dosiere dein Lob weise!!!!