Lovis, seit Jahren 39, alleinerziehende Mutter, begibt sich mainstreamgemäß via Datingportal auf Männersuche. Sie ist nicht mehr die Jüngste, aber auch noch nicht tot, da geht noch was.
Freitagabend: Ordnungsgemäße Anmeldung auf einem der Portale, originellen Profiltext erstellt und, da naiv, blöd und unerfahren, auch noch gleich ein Foto hochgeladen.
Ab ins Wochenende …
Sonntagabend: 150 Zuschriften!!!
Lovis kam sich vor wie ein Kind in einem Bonbonladen – alles meins!!!
Ok, bei näherer Betrachtung konnte man 149 der Kandidaten sofort wieder vergessen, aber so einer war dabei, der sich aus der Masse hervorhob.
Hier könnte die Geschichte zu Ende sein – Happy End – alle glücklich.
Doch es war, nennen wir es einmal, nur eine erweiterte Sommerliebe… mehr nicht!
Aber schön, sehr schön!
Was einmal so super geklappt hat, könnte ja wieder klappen dachte sich Lovis nach angemessener Trauerzeit und sprang kopfüber, optimistisch und gut gelaunt erneut in die Online-Dating-Szene.
Lassen wir sie erzählen:
Nach meinem ersten Online-Erfahrungen, neuer Mann in unter 24 Stunden, war ich gewillt auch dieses Mal keine Zeit zu vertrödeln. Kurzer Chat, Optik wohltuend, Wohnort keine 10 km entfernt, passt, lass uns zum obligatorischen Erst-Kaffee übergehen! Ich war so blauäugig zu glauben, dass man keine 20 Jahre alten Bilder verschickt, da man davon ausgehen muss, dass diese Schummelei auch bei anerkannt gesichtsblinden Menschen relativ schnell auffliegt.
15 Uhr Café Relax, klingt so schön entspannt. Stehe ich also um 15 Uhr auf dem Parkdeck, kannst als Frau ja nicht pünktlich sein, musst immer 10 Minuten zu spät kommen, sonst siehste bedürftig aus. Hat mir meine halbwüchsige Tochter erklärt. Ich Töffel wäre da doch oldschool und ordentlich erzogen Punkt drei Uhr aufgeschlagen. Sitze also die Anstands-10-Minuten in meinem Auto ab, klingelt mein Handy.
Peter, mein Date!
Nuschelt etwas von: „Findekeinenparkplatz, wird etwas später.“
Mooooment! Frauen kommen 10 Minuten später, … Männer niemals!
Fing er ja schon an, Pluspunkte zu sammeln der Herr!
Bleib cool, Lovis!
Ich hörte mich also ins Handy flöten: „Macht doch überhaupt nichts!“
Ein Satz, bei dem jeder, ich betone: Jeder! Mann, mit einem Fünkchen Erfahrung weiß:
Jetzt hab ich Scheiße gebaut!
Peter war aber offensichtlich ein Mann ohne Erfahrung, zudem noch einer mit Pech bei der Parkplatzsuche. Zehn Minuten später rollte er aufs Parkdeck, sein leicht gehetzter suchender Blick verriet ihn. Er stieg aus und leider, leider hatte ich mein schützendes Vehikel auch schon verlassen, zur sofortigen Flucht war es zu spät.
Peter war in den letzten 24 Stunden nicht nur schlagartig um 20 Jahre gealtert, nein, er hatte auch 20 kg mehr auf den Rippen als der Foto-Peter. Diesen Luxuskörper verwöhnte er mit einem Ensemble aus angeranztem Adidas T-Shirt, sollte ihm wohl eine sportliche Note verleihen, und einer Art blauen Schlabbergartenhose, mit dem krönenden Abschluss Birkenstock Sandale.
Wenigstens nicht barfuß!
Aber das war nicht das Schlimmste…
Peter war von mir ganz offensichtlich deutlich mehr angetan als umgekehrt und umarmte mich wie einen lang vermissten alten Freund.
Boooahhr, Alter, Dusche kaputt?
Da schlug mir eine Welle von altem Schweiß, Baustelle, Zement, Zigarettenrauch, Bratkartoffel, Bier und Hundegassi entgegen.
Im Grunde hätte ich jetzt sofort wieder fahren können. Hatte alle Informationen, die ich brauchte.
Peter erklärte mir unaufgefordert sein Outfit: „Habe bis zur letzten Minute am Kamin gebaut.“
Man riecht’s!
Was will er mit dem Kamin andeuten? Ah, ja, Männer, die einen Kamin haben sind romantisch! Wollen Frauen so. Ich persönlich bevorzuge Männer mit funktionstüchtiger Dusche!
Ich achtete also bei unserem Weg zum Café auf die Windrichtung und deutete schon mal vorsorglich an, dass ich leider, leider in einer Stunde einen ganz dringenden Termin habe.
Was heißt in einer Stunde, eigentlich in ’ner halben oder in einer Viertel- …
Im Café angekommen ließ Peter den Gönner raushängen: „Kannst ruhig ’ne große Tasse Kaffee trinken, ich bezahle.“
Nein, Peter, zu großzügig, aber in deinem speziellen Fall kann die Tasse gar nicht klein genug sein, die ich hier in Rekordzeit zu mir nehmen werde.
Eins muss man Peter lassen, er hielt das Gespräch in Gang. Naja, Gespräch ist jetzt etwas hoch gegriffen, Peter redete. Er redete viel und furchtlos und war bei der Themenwahl nicht zimperlich.
Beruf? „Naja, jetzt im Moment meinst du? Naja, also man nennt das wohl Vertriebler … muss aber nur zwei Tage die Woche Bestellungen am PC eingeben, mach mich nicht tot, läuft.“
Schule? „Ja, bin ich runter geflogen, hatte immer Stress mit den Lehrern, … hab dann an einer Abendschule aber noch meinen Abschluss gemacht.
Tischlerlehre habe ich abgebrochen, hatte immer Stress mit dem Lehrherren, … hab mich dann so durchgeschlagen.“
„Moment mal, Peter, im Profil stand Hochschulabschluss?“
Lach! … „Musst nicht alles glauben, was im Profil steht!“ war sein einziger lapidarer Kommentar dazu.
Unser Wertesystem divergierte im Bereich Ehrlichkeit offensichtlich extrem.
Kinder?
Kinder hatte er auch. Zu denen hat er aber keinen Kontakt mehr.
Liegt an der Mutter, der blöden Kuh. Die hetzt die Kinder auf. Die sei ja sowieso das Allerletzte.
Es folgte ein ermüdender Exkurs über die Qualitäten oder eben Nichtqualitäten der ehemalig Angetrauten.
Ich plante derweil im Kopf die morgige Unterrichtsstunde zum Thema ‚das verkehrssichere Fahrrad‘.
Peter redete und redete!
„… und dann ist mir eben die Hand ausgerutscht!“
Stopp!
Wie war das?
Spul mal gerade den letzten Satz zurück!
„Naja, wegen meiner fehlenden Impulskontrolle!“
„Wegen was?“
„Impulskontrolle! Weißt du nicht was das ist?“
Peter, ich benutze Fremdworte regelmäßig und kenne meistens deren Bedeutung, ich weiß auch was Impulskontrolle ist, aber seit wann benutzt du Fremdworte?
„Ja, das liegt nämlich am Blutdruck! Meiner ist zu hoch … „.
Es folgt der große ebenso ermüdende Teil der Männerkrankheiten, während ich überlege, ob noch genügend Reflektoren im Lehrmittelraum sind.
„… und dann habe ich Medikamente gegen den Bluthochdruck gekriegt. Die sind aber voll scheiße. Da geht nix mehr … “ Peter zeigte mit dem Zeigefinger auf den Boden. Ich zeigte Bruchteile von Sekunden zu spät an, dass ich verstanden hatte, was er meinte, da hängte sich Peter über den Bistrotisch und raunte mir verschwörerisch zu: „Hab ihn nicht mehr hoch gekriegt!“ *blinzel*
Wenn ich freitags abends die Biotonne rausstelle und vorher den Deckel aufmache … also das Gesicht … ich gucke Peter also an, wie meine offene Biotonne.
Diesen dezenten Gesichtsausdruck wusste Peter aber nicht zu deuten. Er fuhr unbeirrt fort: „Brauchst dir aber keine Sorgen zu machen! Geht wieder – zack-zack!“
Umgekippte Biotonne!
„21 cm, wie ein Bohrhammer … „
Vier Wochen nicht entleerte Biotonne, mit Madenbefall!!!
„… und um Verhütung musste dir auch keine Sorgen machen, hab mich vor Jahren sterilisieren lassen!“
By the way, waren da noch genug Luftpumpen im Lehrmittelraum?
„Peter, was war mit deiner fehlenden Impulskontrolle?“
Manchmal hilft ja ein Themenwechsel.
„Hab ich nur bei Bluthochdruck. Und den hatte ich nur wegen meiner Alten. Deshalb brauche ich ja auch jetzt die Pillen nicht mehr. Aber in meiner Ehe, da hatte ich immer zu hohen Blutdruck.
Und da setzt es dann einfach mal bei mir aus. Da habe ich ihr eben mal eine gescheuert, damit Ruhe ist.“
„Peter?
Du hast sie (mit diesen Pranken, von denen zwei genügen, um einen kompletten Bistrotisch abzudecken und die von ihrer Filigranität her den Füßen von Krokodilen gleichen) geschlagen?“
„Nur ein oder zwei Mal. Hat sich dann ja auch scheiden lassen. Seitdem brauchte ich nie wieder Blutdrucktabletten. War also alles zu was gut.“
Ich fragte mich jetzt, wie ich aus dieser Nummer rauskomme, ohne den Blutdruck dieses Prachtexemplars zu erhöhen.
Denn eins war klar, wenn bei dem die fehlende Impulskontrolle greift, muss ich mir um die morgige Fahrradstunde keine Gedanken mehr machen.